1.3 Hügelgräber und das Skelett von der Röse - Nettlingen in der Eisenzeit


Leben in der Eisenzeit


In dieser Zeit gelangte das Eisen auch in die nordgermanischen Länder. Das auch in unsern Gebieten vorkommende Rasen-Eisenerz begünstigte die einheimische Eisengewinnung. Der Übergang von der Bronzezeit zur Eisenzeit geschah allmählich, setzte nicht schlagartig ein, es gab noch weiterhin Bronze, die aber dann allmählich durch das Eisen verdrängt wurde. In diese Eisenzeit und zwar in die jüngere Kaiserzeit, etwa von 200-350 n. Chr., gehört der Grabhügelfriedhof im Stobenholz.
 

Die Grabhügel im Stobenholz


Seit langem sind die etwa 80 kleinen Grabhügel im Stobenholz bekannt. Wie mir erzählt wurde, sind dort jedoch leider früher "wilde Grabungen'' gemacht worden, d.h. von interessierten Personen, die es verbotenerweise taten. Um die Grabung und die Auswertung von gefundenen Urnen für die Heimatgeschichte mitzuverwenden, bat ich wiederholt die Abteilung für Bodendenkmalspflege in Hannover, mit der Grabung zu beginnen. Nach einigen Besichtigungen konnte am 2.8.1961 begonnen werden. Die örtliche Grabungsleitung hatte der cand. phil. Dieter Schmelz-Göttingen. Es halfen aus unserm Dorf Walter Vornkahl und Hermann Bethge.

Die Grabung eilte, da durch Tierbaue und Fahrspuren viele der flachen Hügel kaum noch erkenntlich waren; es könnten in späteren Jahren weitere Hügel durch Abtransport der geschlagenen Buchenstämme beschädigt werden. Für die Untersuchung wählte man drei enggeschlossene Gruppen von je 5-7 Hügel aus, insgesamt 18 Hügel von 1,5-6 m Durchmesser. Geöffnet wurde der Hügel durch die „Quadrantenmethode“. Es blieb ein Erdkreuz stehen, die vier Kreisausschnitte schaufelte man vorsichtig weg.

Schichtfolge des Bodens: Harter, z.T. kiesiger, rötlicher Lehm als Untergrund,
darüber eine Lagerung von 0,4 - 0,6m starkes Stratum (Schicht) aus lockerem, steinlosem Lehm von gelbbrauner Farbe. Aus dem gleichen Material bestanden die Hügelaufschüttungen. Von den 15 entdeckten Bestattungen, die in Tiefen von 0,35m bis 0,72 m eingegraben waren, bestanden 12 aus Urnen. 2 aus Scherben-Leichenbrandgemisch und 1 aus geringen Resten von Leichenbrand. Die schalenförmigen, überwiegend verzierten Urnen gehören dem 4.  Jahrhundert an.

Drei Nachbildungen von den Urnen waren um 1961 in der Heimatstube ausgestellt.

Skelettfund auf der Röse


In eine spätere Zeit, wohl in die frühchristliche, karolingische Zeit, gehört ein Begräbnisplatz auf der Röse. Lage des Fundes: Am südöstlichen Ausgang des Dorfes nördlich des Weges nach Berel wurden bei Ausschachtungsarbeiten für den Neubau des Hauses Nr. 224 im September 1949 Skelettfunde gemacht.

Nachdem der Kreisheimatpfleger Hermann Blume, Hildesheim, benachrichtigt worden war, legte er die Ergebnisse der Besichtigung fest:

"Die Ausschachtungen haben einen Raum von 13m zu 8m freigelegt. Für die Grundmauern des Neubaues waren bereits 1,50m in die Schottermassen eingetiefte Gruben fertiggestellt. Man war dabei, die Kellerräume auszuschachten. Die Außenwände der Gruben zeigten etwa 20cm breite rötliche und gelbliche Streifen des Schotters. An der Ostwand· des ausgeschachteten Grabens waren Störungen der Streifen zu erkennen, in der Nordostecke des Grabens entdeckte ich in dem Gestein in einer Tiefe von 1m Reste einer tief schwarzen, mürben Masse, die wohl aus Holz entstanden ist.
Die Reste waren aber so gering, dass ich nicht feststellen konnte, ob es sich um eine horizontale oder vertikale Schicht handelte. Über dieser Schicht kam ein Beinknochen zum Vorschein, Im abgeträuften Bautal liegend fand ich ein 7mm starkes, 10cm langes Stück einer Rippe. Ein Arbeiter übergab mir ein Stück Bronzedraht in Stärke von 1,5mm, es war gebogen, 2cm lang, vielleicht ein Ring, dessen Durchmesser 2cm gewesen sein dürfte. Zu beachten ist, dass die Schottermassen stark verkittet sind, mit Spaten oder Schaufel kann in sie keine Einschürfung gemacht sein. Die Arbeiter hatten Mühe, sie mit der Spitzhacke loszubrechen."

Wo sind die Knochen heute?

 

Hier folgen Aussagen der beschäftigten Bauarbeiter:

1. Der Bauunternehmer Kiel, Bettrum, berichtete: "In der Südostecke des Bauabschnittes ist in der Schottermasse in einer Tiefe von 35cm ein Skelett gefunden, das westost gelagert war, der Schädel im Westen, Die Beinknochen gestreckt nebeneinander. Den Schädel hat der in Nettlingen wohnende Zahnarzt Schwarz besichtigt. Er war an der Baustelle zugegen und sagte mir, der Oberkiefer wäre gut erhalten gewesen, der Unterkiefer nur halb. Die Zähne gut, Backenzähne stark abgeschliffen, er schätze das Alter der Person auf 30 - 40 Jahre. Polizeimeister Flasbart hat das Skelett, bevor ich von dem Funde Kenntnis erhielt, in einer Kiste nach Göttingen geschickt.

2. Die Arbeiter sagten, es wären im ganzen etwa 10 Skelette gefunden, alle
westöstlich orientiert, aber schlecht erhalten. Wo die Knochen geblieben sind, war nicht bekannt - wahrscheinlich hat man sie zu dem abzufahrenden  Bauschutt geworfen, der bereits weggebracht worden war.

3. Ein Arbeiter erzählte von einem Kinderskelett, das nicht  westöstlich  orientiert, sondern quer zu einem anderen Skelett gelegen habe. Von dem Kinderskelett dürfte die Rippe stammen, die ich bergen konnte.

4. Es wurde weiter berichtet, Kinder hätten aus der Böschung des Straßengrabens südlich der Baustelle Knochen herausgebuddelt. Als das  Grundstück noch Acker gewesen sei, habe man mehrfach Knochen losgepflügt, auch bei der sich östlich anschließenden Fläche.

5. Ein 82-jähriger Einwohner
(Herr Vollmer) von Nettlingen, der in einem Haus südlich der Straße wohnt, erzählte, dass südlich ein alter Steinbruch gewesen sei, den man etwa 1910 eingeebnet habe: dabei habe man auch Knochen gefunden. Vielleicht weist der Flurname Röse auf eine mittelalterliche Kalkröste hin. 

Ein frühgermanischer Friedhof vor Berel


Zwei Jahre später meldete Pastor Schönberg den Fund einer Urne und Skelettreste an: das Amt für Bodendenkmalspflege, daraufhin untersuchte Landesarchäologe Dr. Claus die Fundstelle am 17.8.1951 und schreibt darüber:

"Die Fundstelle liegt am Ortsausgang von Nettlingen, direkt nördlich der Straße nach Berel, beim Kilometerstein 2,9 -,13m vom nördlichen Straßenrand entfernt. Hier ist eine Baugrube für den Neubau eines Hauses ausgehoben in Größe von 8 x 9,20m, Beim Ausheben der Baugrube waren 3 Skelette aufgefunden worden, (2 Skelette von Erwachsenen und 1 Kinderskelett).
Die Skelette sollen nach Angabe der Finder stets in Westostrichtung gelegen haben, d.h. Kopf im Westen, Blickrichtung nach Osten. Die Skelette lagen vereinzelt. Während das Skelettmaterial nicht geborgen wurde, blieb ein Gefäß, das zwischen den Unterschenkeln des einen Erwachsenenskelettes gestanden haben soll, erhalten (Landesmuseum Hannover, Inventar-Nr. 185:51).
Es handelt sich um einen kleinen Topf mit großem Standboden, gleichmäßig in niedrigen Steilrand übergehend, der schräg gekerbt ist, Farbe grau bis gelblich braun, harter Brand, rauhe Oberfläche, stark gemagert (H: 11,3cm, Größe 14,1cm, Bodendurchmesser 8,4cm, Wandstärke 0,8 cm).
Beim Absuchen der Grubenwände wurde am Westrand der Baugrube eine fast rechteckige Grube festgestellt, die sich durch ihre lockere Auffüllung deutlich von dem sonstigen Kalksteinboden abhob, über der Grubensohle waren die Enden von 2 Unterschenkelknochen sichtbar. Die Bergung dieser Grube wurde am 23.8.1951 durchgeführt.
In dem außerordentlichen steinigen Kalksteinboden war eine rechteckige Grabgrube ausgehoben worden. Sie lag genau in Ostwestrichtung und hatte eine durchschnittliche Breite von 60cm, die noch vorhandene Länge betrug 130cm, Das östliche Ende war mit der Hälfte der Unterschenkel bereits abgetragen, irgendwelche Anzeichen eines hölzernen Sarges oder einer Brettunterlage waren nicht erkennbar. Der Kopf des Skelettes lag 60cm, die Beine (Knie) lagen 68cm unter der Oberfläche, die Arme lagen seitlich am Körper, die Hände auf dem Oberschenkel.

Im ganzen war das Skelett etwas verrutscht, der Kopf lag auf der rechten Seite, die Schädeldecke wies ein großes Loch auf, der Unterkiefer stand jedoch noch aufrecht, Zähne waren sehr gut erhalten. Ein stark verrostetes kleines Eisenmesser lag an der Innenseite des linken Oberschenkels, dicht unterhalb des Beckenknochens. Der Oberkörper einschließlich des Kopfes bis zum Brustkorb war in lockerer Schicht eingebettet, die auffällig stark durchsetzt war mit ganz dünnen, feinsten, knochenähnlichen kleinen Teilchen (Material vorläufig unbestimmt). Das Körpergrab gehört zu einem anscheinend größeren Körpergräberfriedhof. Beim Bau eines Hauses auf dem Nachbargrundstück sollen im Jahre 1949 mindestens 8 Skelette gefunden worden sein, die alle in Ostwestrichtung in einer Reihe lagen. An Beigaben wurden mehrere kleine Eisenmesser gefunden. Ein Fingerring ging damals verloren."



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen