Leben in der Bronzezeit (2200 bis 800 vor Chr.)
Eine umwälzende Veränderung gab es mit der Erfindung der Bronze, einer Mischung von 90 Teilen Kupfer und 10 Teilen Zinn. Da diese Metalle hier nicht vorkamen, aber bronzene Geräte hier gefunden wurden, muss also ein Handelsaustausch mit dem Ursprungsland der Rohstoffe stattgefunden haben.
Es wird später auch der Rohstoff direkt eingeführt worden sein, und der Bronzeguss erfolgte bei dann vor Ort hier bei uns. Konnte man in der Steinzeit nur kurze Dolche aus Feuerstein oder Flint schlagen, so ließen sich jetzt diese Stichwaffen in Bronze verlängern und wurden zu Bronzeschwertern. Auch Lanzenspitzen, Beile, Tüllenbeile fertigte man an.
Schmuckstücke, Armreifen, Spiralen, Gewandnadeln (auch Fibeln genannt), Gürtelschnallen entstanden. (Letztere Bronzesachen sind auf unserer Feldmark allerdings nicht gefunden worden. Solche Fundstücke der Bronzezeit sind mit einer grünlichen Schicht, der Patina, überzogen. Sollte jemand ein solches Stück finden, ist diese bitte keinesfalls abzukratzen.)
Für die Bronzezeit sind charakteristisch die Hügelgräber, die sich über das ganze Kreisgebiet verteilen. Aus der Vielzahl der Hügelgräber (die durch Pflüge zerstörten mit eingerechnet) lässt sich auf eine Zunahme der Bevölkerung schließen. Vom Übergang aus der älteren zur jüngeren Bronzezelt ging man zur Leichenverbrennung und Brandbestattung über und wölbte über der Asche der Toten einen Erdhügel auf. Auch noch später in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten wurden Erdhügel über Gräbern aufgeschüttet (siehe Abschnitt Eisenzeit). Die Auffassung vom Dasein nach dem Tode hatte sich geändert, man gab dem Toten keine Wegzehrung mehr mit. Nach der Verbrennung der Leiche nahm eine Urne die Aschereste auf. Vielfach entdeckt man heute noch nach tiefem Pflügen Branderde, die einmal Brandstätten des Scheiterhaufens gewesen waren.
Der Bronzeeimer vom Kuhanger
In diese Bronzezeit ordnete Chronik-Autor Hüpsel - irrtümlicherweise - auch den Bronze-Eimer und Bronzeschüssel ein, die 1859 auf dem Kuhanger gefunden wurden.
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Braunschweigisches Landesmuseum/S. Spantikow |
Darüber schreibt der in Algermissen geborene Archäologe Heinrich Willers in seiner 1901 erschienenen Abhandlung "Die römischen Bronzeeimer" (Seite 132) wörtlich:
„Der Bronzeeimer stammt aus der Feldmark von Nettlingen und befindet sich in der vom Herzoglichen Museum in Braunschweig erworbenen Sammlung des verstorbenen Abtes Thiele. Im Inventar dieser Sammlung wird über den Eimer bemerkt: 1859 auf dem 2. Höhenzug südlich von Nettlingen rechts von der Straße von Grasdorf in einer wellenförmigen Erhöhung im Acker (vormals Anger) gefunden. Aus demselben Funde besitzt die Thielische Sammlung den oberen Rand eines großen Bronzegefäßes und ein langes, eisernes Messer; aus Funden, die in der Nachbarschaft zum Vorschein gekommen sind, eine Reihe von Tongefäßen, zum Teil mit Beigaben, wie Bronzeschlacken, Resten von eisernen Geräten und geschmolzenen Glassachen.
Alle diese Funde sind am Nordabhang des Vorholzes gemacht, das zu der vom Harz nach Hildesheim zu streichenden Hügelkette gehört, an deren westlichem Ausläufer, dem Galgenberge, der Hildesheimer Silberfund versteckt war. Die beiden Fundstellen liegen 13 km auseinander. Bei Nettlingen sind offenbar nach der Verkoppelung kleine Urnenfelder zerstört; auch Ausgrabungen sollen dort stattgefunden haben. Aus einem solcher Urnenfelder stammt nun offenbar der Bronzeeimer.
Leider hat er sehr stark gelitten. Die Wandung war beim Auffinden ganz in Stücke zerbrochen; nur der obere Rand und der starke Boden hatten allen Anfechtungen widerstanden. Jetzt sind die Bruchstücke wieder notdürftig zusammengesetzt, doch fehlen so manche, so vom unteren Rande. Der Boden ist jetzt ohne Verbindung mit dem Eimer; dagegen ließen sich Henkel und Attachen leicht wieder an den alten Ansatzstellen befestigen. Die Maße des Eimers: Höhe 21,5 cm, der Mündungsdurchmesser 23, 5 cm, Höhe des Henkels 15,5 cm. Der am Rande stark ausgebröckelte Boden hat einen Durchmesser von 22 cm Abdrehung: unter dem Boden um das Zapfenloch drei konzentrische tief ausgerundete Rillen, je von zwei Ringen eingeschlossen; unterhalb der Ausbauchung zwei Doppellinien, oberhalb derselben drei Doppellinien. Leuchtende dunkelgrüne Patina.
Die schweren Füßchen haben Eiform, sind aber oben abgeplattet, ihre Höhe beträgt 2,5 cm und der obere Durchmesser schwankt zwischen 3,3 und 3 cm. Sie sind scharf abgedreht und haben unten ein weites, tiefes Zapfenloch, Das Zinnlot, mit dem sie unter dem Boden befestigt waren, hatte sich zersetzt, doch ließen sie sich leicht wieder an der richtigen Stelle befestigen. Der Henkel des Nettlinger Eimers ist von geringer Arbeit viel besser sind die Verzierungen der Attachen. Der Frauenkopf in der Mitte hebt sich in hohem Relief vom Hintergrunde ab und zeigt neben geschickter Modellierung sorgfältige Ziselierung. An das alte Palmettenmuster erinnert eine Reihe von radialgestellten Strichen, die Stelle der Vogel- oder Hundeköpfe nehmen hier zwei nach außen spitz verlaufende Ansätze ein, die oben mit einem Zweigmuster verziert sind. Auch diese Ringe haben auf der Außenseite eine Verzierung; sie besteht aus fünf aneinander gereihten, den äußeren Rand begleitenden Halbkreisen.
Im Inventar der Thielischen Sammlung wird neben dem Bronzeeimer verzeichnet: Der obere Rand eines noch weiteren und wohl auch niedrigeren Bronzegefäßes, worin das vorige angeblich gestanden habe. Ein gegossener Falke mag irgendwie angelötet gewesen sein."
Willers schreibt, dass er zwar Rand und Falken nicht gesehen hat, wohl aber eine im Durchschnitt 18,5 cm große Bodenscheibe aus Bronze mit zerstörtem Rand.
"Diese verdickt sich auf der einen Seite nach der Mitte zu und ist mit denselben eingedrehten Rillen und Ringmustern verziert, das der oben abgebildete Boden aufweist. Auf der andern flachen Seite bemerkt man in der Mitte ein Zapfenloch, das einer in einiger Entfernung umlaufenden flachen Rille als Zentrum dient. Diese ist, wie die Rillen auf der andern Seite und die unter dem Eimerboden, auf jeder Seite von einer Kreislinie umgeben.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass wir es hier mit der Bodenscheibe einer Schüssel zu tun haben. Dass diese Schüssel, von der nach dem Inventar auch der obere Rand gefunden ist, genau ausgesehen hat wie die bei Naunheim gehobene, lehrt die Bemerkung über den gegossenen Falken, in dem man leicht ein Gegenstück zu den Tauben erkennt, die an der Naunheimer Schüssel als Attachen der Tragringe dienen. Vielleicht war auch die Nettlinger Schüssel über den Eimer als Deckel gelegt. Somit ergibt sich eine ganz überraschende Ähnlichkeit des Nettlinger Fundes mit dem Naunheimer."
Neue Erkenntnisse des Museums in Wolfenbüttel
Wolf-Dieter Steinmetz, der Archäologe des Braunschweigischen Landesmuseums, in dessen Wolfenbütteler Zweigstelle - der "Kanzlei" - der Bronzeeimer gelagert ist, hat den Eimer und die dazugehörige Schüssel sowie eine gefundene Vogel-Verzierung kürzlich noch einmal mit modernen Methoden untersucht. Das - überraschende - Ergebnis: "Es handelt sich um einen römischen Bronzeeimer des 1. Jahrhunderts, der wahrscheinlich Beigabe oder Urne einer germanischen Bestattung gewesen war (also keine Bronzezeit!)."
Somit ist der Eimer zwar aus Bronze - aber nicht aus der Bronzezeit.
Wolf-Dieter Steinmetz schreibt weiterhin über das Bronzebecken: "Zum Fundkomplex gehört ein weiteres römisches Bronzegefäß, ein Becken des 2./3. Jhdts., an das wahrscheinlich auch ein mitgefundenes Vogelprotom gehört. Das jüngere Gefäß datiert die Bestattung, der Eimer war also länger in Umlauf." Der Eimer wurde also schon lange vor der Beerdigung genutzt, das Becken womöglich extra für diese angefertigt.
Beide Gefäße befinden sich aktuell in der Dauerausstellung im Museum Kanzlei Wolfenbüttel und sind dort zu sehen!
Import aus dem römischen Reich?
Heinrich Willers war der Ansicht, dass die Hauptmasse solcher Funde aus einem römischen Industriezentrum stammen müsse. Solche Fabrikationszentren haben in der Geschichte des antiken Handels eine hervorragende Rolle gespielt. Den Ursprung dieser Bronzeeimer sollten wir in Italien suchen, z.B. in Capua - aber nicht nur die Eimer, sondern auch die Schüsseln sind Handelsware für den Norden gewesen.
Die Einfuhr der römischen Ware hörte allerdings etwa 200 n. Chr. - der Zeit, aus der das Becken stammen dürfte - auf. Dafür setzte ein Handel mit Gefäßen ein, die provinziellen Ursprung hatten. Gallische Händler deckten den Metallwarenbedarf des Nordens. Ein Industriezentrum späterer Zeit war wohl Grassenich am Niederrhein, vermutete Willers.
Die Schellerter Chronik hat sich ebenfalls mit dem Nettlinger Bronzeeimer befasst und hierzu noch weitere spannende Hinweise aufgetan:
"Wann und auf welche Weise Bronzeeimer und -becken vom Kuhanger in unsere Gegend gekommen sind, wissen wir nicht. Vielleicht waren sie Kriegsbeute. Möglich wären auch Handelsbeziehungen zwischen Germanien und dem Römischen Reich, wobei sich die Forscher uneins sind, ob es diese kontinuierlich gegeben hat.
Im Fall dieser Gefäße ist es allerdings unwahrscheinlich, dass die Gegenstände z.B. von einem vorbeikommenden Händler gekauft worden sind. Das Zusammentreffen von Eimer und Becken weist auf die Kenntnis römischer Sitten und Gebräuche hin. In großen Eimern – zu denen oft Kelle und Sieb gehören, die hier zwar nicht (mehr) gefunden worden sind, sich aber vielleicht hinter den ebenfalls gefundenen Bronzeresten verbergen – bereiten die Römer der Kaiserzeit erhitzten, gewürzten Wein zu. In flachen Becken mit seitlichen Griffen waschen sie sich während und nach der Mahlzeit die Hände.Weiterhin ist dort zu lesen:
Da Grabbeigaben die Lebensverhältnisse des Verstorbenen widerspiegeln, ist anzunehmen, dass die hier bestattete Person zu Lebzeiten Kontakt zum Römischen Reich gehabt hat, wie z.B. ein Mitglied einer Familie, die als Anführer ihrer Sippe des Öfteren mit römischen Unterhändlern verhandelt hat und dabei deren Gebräuche kennengelernt und Geschenke erhalten hat."
"Auch an anderen Orten hat man ähnliche Funde gemacht: In Stolzenau im Landkreis Nienburg ist z.B. ein vergleichbarer Messingeimer als Urne benutzt worden. In Apensen im Landkreis Stade gehören zu den teilweise zerschlagenen Grabbeigaben einer fürstlichen Doppelbestattung ein Henkel und zwei Attachen mit Kopf und Flügeln, die denen des Bronzeeimers vom Kuhanger ähneln."Spannend in diesem Kontext ist, dass römische Legionen im 3. Jahrhundert wieder vermehrt in Niedersachsen auf dem Vormarsch waren - im Harz kam es etwa um 235 n. Christus zu einer größeren militärischen Auseinandersetzung zwischen Römern und Germanen.
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